Wie prüft man tausende von „BGA-Balls“ in kürzester Zeit?

05. 11.2024 | E‑Blog

Wie prüft man tausende von „BGA-Balls“ in kürzester Zeit?

5.11.2024 | E‑Blog

Im Zuge des Green Deals der EU wird Recycling und Reuse von wertvollen Elektronikkomponenten zunehmend zu einem „Muss“ – und damit Rework-Prozesse wie das Reballing von BGAs unverzichtbar. Aber wie lässt sich die Qualität dieses Verfahrens umfassend absichern? Eine präzise Antwort könnte zukünftig die 3D-AOI-Technologie liefern – wie das Vario Line 3D von GÖPEL electronic. Aktuell testen Spezialisten von Kraus Hardware, wie man diese Technologie bei der Ball-Inspektion zum Einsatz bringen kann. Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Die EU macht Druck. Unter dem Schlag­wort „5 R“ (Reuse, Refur­bish, Recy­cle, Refuse und Rethink) will die Staa­ten­ge­mein­schaft in den nächs­ten Jah­ren unter ande­rem dafür sor­gen, dass wert­volle Res­sour­cen mög­lichst lange in einem geschlos­se­nen Wert­stoff­kreis­lauf ver­blei­ben. Also geben die obi­gen „5 R“ die Rich­tung vor und flie­ßen in eine Reihe von Richt­li­nien ein, die auch und gerade die Elek­tronik­pro­duk­tion mas­siv betref­fen – kein Wun­der: Hier kom­men wert­volle Mate­ria­len wie Sel­tene Erden in gro­ßer Menge zum Ein­satz, wobei sie häu­fig nach rela­tiv kur­zer Nut­zungs­dauer ent­sorgt wer­den. Aller­dings dürfte genau das in den nächs­ten Jah­ren mas­siv regu­liert wer­den. Sprich: Das „Reuse“ wird zur fes­ten Vorgabe.

Rebal­ling im Fokus
Dass vor die­sem Hin­ter­grund ver­schie­dene Rework-Ver­fah­ren in den Fokus der Fer­ti­ger rücken, liegt auf der Hand – zum Bei­spiel das Rebal­ling (Neu­be­ku­geln) von BGAs (Ball Grid Arrays) ist hier­bei beson­ders inter­es­sant. Bei die­ser Bau­form für inte­grierte Schal­tun­gen ver­lau­fen die Pins nicht um das Gehäuse herum, son­dern befin­den sich auf der Unter­seite des Bau­teils und wer­den hier ver­lö­tet. Rework-Spe­zia­lis­ten wie Kraus Hard­ware fer­ti­gen dazu bei­spiels­weise ein Sieb, an dem sich pro Anschluss eine Lot­ku­gel befin­det und tra­gen auf der Unter­seite des Bau­teils Fluss­mit­tel auf. Anschlie­ßend wird der Chip inklu­sive Sieb auf­ge­heizt. Auf diese Weise schmel­zen die Lot­ku­geln auf und bil­den eine Ver­bin­dung mit dem Bauteil.

Anschlie­ßend stellt sich für Pro­duk­ti­ons­pla­ner beim Rework aber eine ent­schei­dende Frage: Wie gut ist die Qua­li­tät die­ses Pro­zes­ses – sind die Balls etwa ver­rutscht, gibt es uner­wünschte Grö­ßen­un­ter­schiede, Kurz­schlüsse oder sogar feh­lende Kugeln? Eine ebenso per­fekte wie umfas­sende Ant­wort könnte in die­sem Zusam­men­hang die Auto­ma­ti­sche Opti­sche Inspek­tion (AOI) mit Anla­gen wie Vario Line 3D von GÖPEL elec­tro­nic geben (mehr zur Anlage hier). Aller­dings wurde die Tech­no­lo­gie bis­lang nicht für die Ball-Inspek­tion ver­wen­det, was wie­derum die Anwen­der von Kraus Hard­ware auf den Plan rief. Sie frag­ten bei den Anla­gen­bau­ern an, ob eine sol­che Nut­zung des AOI-Sys­tems im Prin­zip mög­lich sei – und die Exper­ten bejahten.

In der Folge gab es erste Unter­su­chun­gen im Appli­ka­ti­ons­zen­trum von GÖPEL elec­tro­nic. Anschlie­ßend kon­stru­ierte und pro­du­zierte Kraus Hard­ware eine spe­zi­elle Auf­nahme aus Alu­mi­nium, mit deren Hilfe man sta­bile Kunst­stoff-Tablets (Jedec Tray) auf dem Trans­port­band in der Anlage zum Ein­satz brin­gen kann, in denen sich wie­derum die BGAs befin­den. Auf diese Weise ist das Bau­teil­sub­strat immer auf einer defi­nier­ten Höhe – quasi als Refe­renz­punkt der Mes­sung. „Gerade diese ers­ten Schritte waren sehr wich­tig, damit wir die betrof­fe­nen BGAs per­fekt in der Anlage posi­tio­nie­ren kön­nen. Wir haben einige Ver­su­che für die Ent­wick­lung der Auf­nahme gebraucht“, erklärt Mar­cel Ott, Ver­ant­wort­li­cher für AOI-3D-Pro­zesse bei Kraus Hardware.

126 BGAs mit jeweils 324 Balls in der Anlage
Im zwei­ten Schritt star­te­ten erste Ver­su­che mit dem 3D-AOI-Sys­tem, wobei sich ins­ge­samt 126 BGAs pro Auf­nahme in der Anlage befan­den – und jedes die­ser Bau­teile ver­fügte über 324 Balls. Es gab also mehr als 40.000 zu prü­fende Objekte pro Auf­nahme. „Wir reden hier also von einer rie­si­gen Anzahl“, bestä­tigt Ott. „Zunächst haben wir ver­sucht, den Gesamt­pro­zess in einem ein­zi­gen Prüf­ab­lauf mit der Soft­ware aus­zu­füh­ren. Das führte aller­dings zu einer recht lan­gen Daten­ver­ar­bei­tung. Da die 3D-Bild­auf­nahme hier aller­dings nicht der Fla­schen­hals ist, wurde im zwei­ten Ver-such der Tray ‚auf­ge­teilt‘ und quasi in sechs Teil­pro­zes­sen ana­ly­siert.“ Jeder die­ser Pro­zesse umfasste noch 13.000 Prüf­funk­tio­nen – eine immer noch sehr beacht­li­che Anzahl – was am Ende zu einer Gesamt­dauer von weni­gen Minu­ten für die 126 BGAs führte und zugleich die Leis­tungs­fä­hig­keit des AOI-Sys­tems ver­deut­lichte. Im Übri­gen sicherte GÖPEL elec­tro­nic zu, wei­tere Zeit­op­ti­mie­run­gen in der Daten­ver­ar­bei­tung vor­neh­men zu können.

Ins­ge­samt über­zeugt der gesamte Ansatz mit beein­dru­cken­den Zah­len und Fakten:

  • Es wur­den ins­ge­samt 36 Feh­ler an den 126 BGAs gefun­den – 18 davon waren „real“ und der Rest wurde als Pseudo-Feh­ler klas­si­fi­ziert, wobei Kraus Hard­ware die Feh­ler zuvor test­weise selbst ein­ge­bracht hatte.
  • Im Zen­trum der Unter­su­chung stan­den unter ande­rem Kugel­größe (zu groß – zu klein), feh­lende Kugeln und Kurz­schlüsse zwi­schen den Kugeln.
  • In einem zwei­ten Pro­zess lie­ßen sich etwa­ige Beschrif­tun­gen (bei­spiels­weise durch eine OCR-Schrift­er­ken­nung) auf den Bau­tei­len wie etwa QR-Codes, Dat­a­codes oder Lot­num­mer aus­le­sen und diese Daten mit den Mess­ergeb­nis­sen ver­bin­den – eine per­fekte Grund­lage für die Tracea­bi­lity des Prozesses.

Nächste Schritte in enger Koope­ra­tion
Ist die Eva­lu­ie­rung von Ball-Inspek­tio­nen per Vario Line 3D damit bereits abge­schlos­sen und der Pro­zess kann ande­ren Anwen­dern als Vor­bild die­nen? Dazu Andreas Kraus, Gesell­schaf­ter von Kraus Hard­ware: „Aus unse­rer Sicht sind noch viele Ver­su­che zu ande­ren Gehäu­se­for­men, Lot­ku­gel­grö­ßen und dar­aus resul­tie­ren­den Pitch- oder Kugel­ab­stän­den not­wen­dig, um die Mach­bar­keit sicher­stel­len zu kön­nen – wir betrach­ten die bis­he­rige Arbeit als ers­ten Schritt. Eine große Hilfe ist dabei, dass uns der Anla­gen­bauer unter­stützt und sinn­volle Soft­ware­an­pas­sun­gen aus­führt.“ Anschlie­ßend dürfte die­ser Ansatz zu einer inter­es­san­ten Anwen­dung für EMS-Dienst­leis­ter wer­den, denn hier wird das Prüf­sys­tem über Stan­dard­an­wen­dun­gen hin­aus intel­li­gent genutzt. Im Übri­gen sind kon­trol­lierte Rework-Pro­zesse eine wich­tige Grund­be­din­gung für die EU-weit ange­strebte Res­sour­cen­scho­nung in der indus­tri­el­len Pro­duk­tion. Dar­über hin­aus stellt das Ver­fah­ren eine intel­li­gente Lösung bei all­ge­mei­ner Bau­teil­knapp­heit dar. Nahe­lie­gen­der­weise benö­tigt man dafür einen ver­schleiß­ar­men Aus­tausch von Modu­len und Bau­tei­len – und hier ist das Rebal­ling ein geeig­ne­ter Ansatz. Mit einer umfas­sen­den AOI-Prü­fung wird das Ver­fah­ren nun in viel­fa­cher Weise abgesichert.

Marcel Ott von Kraus Hardware: „Wir reden hier von einer riesigen Anzahl an Prüfoperationen.“
Mithilfe einer speziellen Aufnahme aus Aluminium ist es möglich, 126 BGAs pro Aufnahme in der Anlage zu analysieren.
Die AOI-Aufnahme zeigt ein typisches Fehlerbild: Hier ist ein Ball zu groß – auch zu kleine Balls werden per AOI-System zuverlässig aufgedeckt.
Regularien der EU
Die EU hat sich im Rahmen des Green Deals sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Unter anderem soll die Wirtschaft bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstoßen und sich das Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppeln. Letzteres hat auch auf EMS-Dienstleister massive Auswirkungen. Wie man sich das konkret vorstellen kann, zeigt beispielhaft die Verordnung 2018/858 zur Genehmigung von Kraftfahrzeugen sowie von Systemen und Bauteilen für diese Fahrzeuge. Sie schreibt unter anderem vor, dass wertvolle Teile recycelt und die gesamte Materialrückgewinnung verbessert werden muss – ein Ansatz, der am Ende zahlreiche Zulieferbranchen betrifft.
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