Wie prüft man tausende von „BGA-Balls“ in kürzester Zeit?
Wie prüft man tausende von „BGA-Balls“ in kürzester Zeit?
Im Zuge des Green Deals der EU wird Recycling und Reuse von wertvollen Elektronikkomponenten zunehmend zu einem „Muss“ – und damit Rework-Prozesse wie das Reballing von BGAs unverzichtbar. Aber wie lässt sich die Qualität dieses Verfahrens umfassend absichern? Eine präzise Antwort könnte zukünftig die 3D-AOI-Technologie liefern – wie das Vario Line 3D von GÖPEL electronic. Aktuell testen Spezialisten von Kraus Hardware, wie man diese Technologie bei der Ball-Inspektion zum Einsatz bringen kann. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
Die EU macht Druck. Unter dem Schlagwort „5 R“ (Reuse, Refurbish, Recycle, Refuse und Rethink) will die Staatengemeinschaft in den nächsten Jahren unter anderem dafür sorgen, dass wertvolle Ressourcen möglichst lange in einem geschlossenen Wertstoffkreislauf verbleiben. Also geben die obigen „5 R“ die Richtung vor und fließen in eine Reihe von Richtlinien ein, die auch und gerade die Elektronikproduktion massiv betreffen – kein Wunder: Hier kommen wertvolle Materialen wie Seltene Erden in großer Menge zum Einsatz, wobei sie häufig nach relativ kurzer Nutzungsdauer entsorgt werden. Allerdings dürfte genau das in den nächsten Jahren massiv reguliert werden. Sprich: Das „Reuse“ wird zur festen Vorgabe.
Reballing im Fokus
Dass vor diesem Hintergrund verschiedene Rework-Verfahren in den Fokus der Fertiger rücken, liegt auf der Hand – zum Beispiel das Reballing (Neubekugeln) von BGAs (Ball Grid Arrays) ist hierbei besonders interessant. Bei dieser Bauform für integrierte Schaltungen verlaufen die Pins nicht um das Gehäuse herum, sondern befinden sich auf der Unterseite des Bauteils und werden hier verlötet. Rework-Spezialisten wie Kraus Hardware fertigen dazu beispielsweise ein Sieb, an dem sich pro Anschluss eine Lotkugel befindet und tragen auf der Unterseite des Bauteils Flussmittel auf. Anschließend wird der Chip inklusive Sieb aufgeheizt. Auf diese Weise schmelzen die Lotkugeln auf und bilden eine Verbindung mit dem Bauteil.
Anschließend stellt sich für Produktionsplaner beim Rework aber eine entscheidende Frage: Wie gut ist die Qualität dieses Prozesses – sind die Balls etwa verrutscht, gibt es unerwünschte Größenunterschiede, Kurzschlüsse oder sogar fehlende Kugeln? Eine ebenso perfekte wie umfassende Antwort könnte in diesem Zusammenhang die Automatische Optische Inspektion (AOI) mit Anlagen wie Vario Line 3D von GÖPEL electronic geben (mehr zur Anlage hier). Allerdings wurde die Technologie bislang nicht für die Ball-Inspektion verwendet, was wiederum die Anwender von Kraus Hardware auf den Plan rief. Sie fragten bei den Anlagenbauern an, ob eine solche Nutzung des AOI-Systems im Prinzip möglich sei – und die Experten bejahten.
In der Folge gab es erste Untersuchungen im Applikationszentrum von GÖPEL electronic. Anschließend konstruierte und produzierte Kraus Hardware eine spezielle Aufnahme aus Aluminium, mit deren Hilfe man stabile Kunststoff-Tablets (Jedec Tray) auf dem Transportband in der Anlage zum Einsatz bringen kann, in denen sich wiederum die BGAs befinden. Auf diese Weise ist das Bauteilsubstrat immer auf einer definierten Höhe – quasi als Referenzpunkt der Messung. „Gerade diese ersten Schritte waren sehr wichtig, damit wir die betroffenen BGAs perfekt in der Anlage positionieren können. Wir haben einige Versuche für die Entwicklung der Aufnahme gebraucht“, erklärt Marcel Ott, Verantwortlicher für AOI-3D-Prozesse bei Kraus Hardware.
126 BGAs mit jeweils 324 Balls in der Anlage
Im zweiten Schritt starteten erste Versuche mit dem 3D-AOI-System, wobei sich insgesamt 126 BGAs pro Aufnahme in der Anlage befanden – und jedes dieser Bauteile verfügte über 324 Balls. Es gab also mehr als 40.000 zu prüfende Objekte pro Aufnahme. „Wir reden hier also von einer riesigen Anzahl“, bestätigt Ott. „Zunächst haben wir versucht, den Gesamtprozess in einem einzigen Prüfablauf mit der Software auszuführen. Das führte allerdings zu einer recht langen Datenverarbeitung. Da die 3D-Bildaufnahme hier allerdings nicht der Flaschenhals ist, wurde im zweiten Ver-such der Tray ‚aufgeteilt‘ und quasi in sechs Teilprozessen analysiert.“ Jeder dieser Prozesse umfasste noch 13.000 Prüffunktionen – eine immer noch sehr beachtliche Anzahl – was am Ende zu einer Gesamtdauer von wenigen Minuten für die 126 BGAs führte und zugleich die Leistungsfähigkeit des AOI-Systems verdeutlichte. Im Übrigen sicherte GÖPEL electronic zu, weitere Zeitoptimierungen in der Datenverarbeitung vornehmen zu können.
Insgesamt überzeugt der gesamte Ansatz mit beeindruckenden Zahlen und Fakten:
- Es wurden insgesamt 36 Fehler an den 126 BGAs gefunden – 18 davon waren „real“ und der Rest wurde als Pseudo-Fehler klassifiziert, wobei Kraus Hardware die Fehler zuvor testweise selbst eingebracht hatte.
- Im Zentrum der Untersuchung standen unter anderem Kugelgröße (zu groß – zu klein), fehlende Kugeln und Kurzschlüsse zwischen den Kugeln.
- In einem zweiten Prozess ließen sich etwaige Beschriftungen (beispielsweise durch eine OCR-Schrifterkennung) auf den Bauteilen wie etwa QR-Codes, Datacodes oder Lotnummer auslesen und diese Daten mit den Messergebnissen verbinden – eine perfekte Grundlage für die Traceability des Prozesses.
Nächste Schritte in enger Kooperation
Ist die Evaluierung von Ball-Inspektionen per Vario Line 3D damit bereits abgeschlossen und der Prozess kann anderen Anwendern als Vorbild dienen? Dazu Andreas Kraus, Gesellschafter von Kraus Hardware: „Aus unserer Sicht sind noch viele Versuche zu anderen Gehäuseformen, Lotkugelgrößen und daraus resultierenden Pitch- oder Kugelabständen notwendig, um die Machbarkeit sicherstellen zu können – wir betrachten die bisherige Arbeit als ersten Schritt. Eine große Hilfe ist dabei, dass uns der Anlagenbauer unterstützt und sinnvolle Softwareanpassungen ausführt.“ Anschließend dürfte dieser Ansatz zu einer interessanten Anwendung für EMS-Dienstleister werden, denn hier wird das Prüfsystem über Standardanwendungen hinaus intelligent genutzt. Im Übrigen sind kontrollierte Rework-Prozesse eine wichtige Grundbedingung für die EU-weit angestrebte Ressourcenschonung in der industriellen Produktion. Darüber hinaus stellt das Verfahren eine intelligente Lösung bei allgemeiner Bauteilknappheit dar. Naheliegenderweise benötigt man dafür einen verschleißarmen Austausch von Modulen und Bauteilen – und hier ist das Reballing ein geeigneter Ansatz. Mit einer umfassenden AOI-Prüfung wird das Verfahren nun in vielfacher Weise abgesichert.
Ein Beitrag aus: “PLUS”, Ausgabe Juli 2024
www.leuze-verlag.de/home-plus
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