
Fragen und Antworten:
Wie funktioniert eigentlich… die Einpresstechnik?
Das Verfahren hat nach wie vor großen Stellenwert – war es in früheren Jahren als Verbindungstechnologie in der Bus- und Backplanefertigung unabdingbar, werden heute viele Hochstromverbindungen in E‑Mobilität, Windkraft und Co. mit ihr realisiert.
Was zeichnet die Einpresstechnik (engl.: Press-Fit-Technology) aus?

Die Idee ist ebenso einfach erklärt wie wirkungsvoll: Durch ein Loch in der Leiterplatte, das in seinem Inneren metallisiert ist, wird ein Kontaktstift gedrückt (PPTH: Press-Fit Plated-Through Hole). Wichtig ist dabei, dass der Stift in seiner Breite den Durchmesser des Lochs zunächst leicht überragt, was zu einer Federwirkung beim „Überpressen“ sorgt. In der Folge entsteht eine kraftschlüssige und gasdichte elektromechanische Verbindung.
Welche Vorteile eröffnen sich?

Die Materialien unterliegen während des einfachen Montageprozesses keiner thermischen Beanspruchung wie z.B. beim Reflowlöten. Da kein Zusatzwerkstoff Verwendung findet (Lot, Flussmittel), entstehen auch keine Lötfehler (Solderballs, Tombstones u.ä.) oder Verunreinigungen (Fluxresidues). Nichtdestotrotz profitieren Anwender von einer sehr zuverlässigen elektrischen und mechanischen Verbindung, die sich unter rauen Bedingungen bewährt (z.B. Vibration, korrosive Atmosphäre). Press Fit ist auf beiden Seiten der Leiterplatte anwendbar. Reparatur und Recycling ist durch einfaches Herausziehen der Stifte möglich.
Foto: Einpressen mit Kraft-Weg-Aufzeichnung
Wer hat’s erfunden?

Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten. Viele Quellen verweisen aber auf das Jahr 1967, als der Ingenieur W. R. Evans in den USA ein Patent für einen „Stift mit elastischen Eigenschaften“ einreicht, mit dem man „elektrische Verbindung in einer Leiterplatte herstellen“ kann, so die Formulierungen im amerikanischen Patentantrag. Die Idee entspricht sehr weitgehend heutiger Einpresstechnik. In der Folge wird die Technologie über die Jahrzehnte stetig weiterentwickelt – insbesondere für Hochstromanwendungen, wie etwa ein Patent von Bosch aus dem Jahr 2020 deutlich macht. Der Patentanspruch beschreibt im Wesentlichen ein komplexes Einpresselement in Kombination mit einer Leiterplatte und einem Draht. Zum Beispiel bei Elektromotoren für die Pkw-Lenkunterstützung kommt diese Technologie zum Einsatz
Gibt es Alternativen?
Die üblichen und bekanntesten Verbindungstechnologien für elektronische Baugruppen sind: Weichlöten, Einpressen und Sintern. Ihre Prozessparameter sind sehr unterschiedlich. So beträgt die Prozesstemperatur beim Reflowlöten < 300 °C, beim Selektivlöten < 350 °C und beim Sintern ca. 150 °C (im Unterschied zur einfachen Raumtemperatur beim Einpressen). In der Folge ist der CO2-Fußabdruck auch nur beim Einpressen sehr klein, da man keine Wärme und Zusatzwerkstoffe wie Lot + Flussmittel, Lotpaste und Sinterpaste benötgt. Zusätzlich ist ein Blick auf die allgemeine Einbindung in Produktionsprozesse interessant: Reflowlöten und Sintern sind heute mehr oder weniger stark automatisiert. Das Einpressen bleibt hingegen ein Prozess mit geringer Automation.
Wo kommt der Prozess zum Einsatz?

Im Grunde ist die Einpresstechnik immer dann interessant, wenn man hoch-zuverlässige und/oder thermisch-beanspruchbare Verbindungen benötigt. Das ist bei vielen Anwendungen in der Telekommunikation, der Bahntechnik, der Luft- und Raumfahrt sowie der Automobil-Industrie der Fall – etwa bei der Motorsteuerung oder im Bereich der Batterien von Elektroautos. Darüber hinaus kommen zahlreiche Hochstromverbindungen bei alternativen Energiequellen wie der Windkraft nicht ohne Einpresstechnik aus. Federende, verformbare Stifte werden häufig für Steckeranwendungen verwendet, massive Stifte für Leistungsanschlüsse.
Foto: Einpressstecker in der Röntgenaufnahme
Wie erfolgt der Produktionsprozess im Detail?

Diverse Faktoren beeinflussen die Prozesssicherheit und finale Qualität der Einpresstechnik:
1. Die Beschaffung: Korrekte PPTH-Loch- und Bauelement-Pindurchmesser sind Grundbedingungen. Zudem sollte die Oberflächenbeschichtung (Finish) Gleiteigenschaften aufweisen, wie es beim Zinn (iSn) der Fall ist.
2. Das Press-Werkzeug: Kleinserienfertigungen nutzen häufig flache Stempel, mit individuellen Gegenhaltern, für das Einpressen von z.B. Steckverbindern. In Großserien-fertigungen sind für bessere Reproduzierbarkeit individuelle Werkzeuge für die Bauelemente unumgänglich.
3. Der Prozess: Entscheidende Parameter sind „Kraft“ und „Weg“, die am Ende ein definiertes und kontrolliertes Einpressen ermöglichen. Auch Handkniehebelpressen verfügen heute über die Kraft-Weg-Aufzeichnung mit entsprechender Auswertung für z.B. Traceability.
Foto: Kraft und Weg werden per Software präzise dokumentiert.
Welche Nachteile gibt es?

Press Fit stellt besondere Anforderungen an die Maßgenauigkeit und Toleranzen von Leiterplatten-Loch und Bauelement-Pin. Nach dem Einpressen entsteht immer eine mechanische „Stress-Zone“, die bei nicht qualitätsgerechten Prozessen unzulässige Deformationen im Bereich des PPTH oder Risse zur Folge hat. Im Übrigen führt mechanischer Stress zu einem gewissen Risiko für Whisker-Wachstum (haarnadelähnliche Kristalle wachsen aus metallischen Schichten heraus) und unerwünschter Materialwanderung. Nicht alle für das Löten verwendeten Oberflächen (Finishes) sind für das Einpressen geeignet; z.B. wird HAL nicht für Hochzuverlässigkeitsanwendungen empfohlen. Das Erfahrungswissen der Anwender spielt deshalb eine große Rolle.
Foto: Individueller Stempel
Was sorgt für Prozesssicherheit?

Diverse Normen beschreiben detailliert, wie man das Verfahren mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit ausführt. Wie verweisen hier auf:
- IPC-HDBK-9798 “Handbook for Press-fit Standard for Automotive Requirements and other High-Reliability Applications”
- IPC-9797 “Press-Fit Standard for Automotive Requirements and other High-Reliability Applications”
- DIN EN IEC 60352–5 „Lötfreie Verbindungen, Teil 5: Einpressverbindungen — Allgemeine Anforderungen, Prüfverfahren und Anwendungshinweise.“
Foto: Flacher Stempel mit einem baugruppenspezifischen Gegenhalter