Fragen und Antworten:
Was sind eigentlich… Whisker?
Das Problem ist so alt wie die Entwicklung von elektrischen Systemen: Haarförmige, kristalline Fasern – sogenannte Whisker – bilden sich zum Beispiel an Steckern und stören dann das gesamte System. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Gegenmaßnahmen, um diesen Prozess zu verhindern.
Wie entstehen Whisker überhaupt?
Innere Spannungen in der (lötfähigen) Oberfläche eines Bauteils verursachen diesen Effekt: Metallatome wandern von den Stellen mit Druckspannung weg und lagern sich an Stellen mit geringerer Druckspannung ab – in dem Festkörper vollzieht sich also eine Art von Materialwanderung . Dadurch wachsen sogenannte Whisker (engl.: Barthaare) aus der Beschichtung heraus. Das Ganze sieht tatsächlich aus wie ein sehr feiner Faden mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern.
Warum ist das ein Problem?
Der Prozess erfolgt unkontrolliert: Die „Fäden“ werden also immer länger – bis zu einigen Millimetern. Anschließend können sie abbrechen, auf der Baugruppe herumvagabundieren und zum Beispiel Kurzschlüsse verursachen. Die Zuverlässigkeit des Systems ist dann in Gefahr. Interessant ist in diesen Zusammenhang, dass bei sicherheitskritischen Anwendungen wie ABS- oder ESP-Systemen von Pkws sogar auf bleihaltige Oberflächen und Lötverfahren verzichtet wird, um die Whisker-Bildung zu vermeiden.
Foto: Die sehr feinen Fasern am Stecker sind hier gut zu erkennen.
Seit wann kennen Experten diesen Effekt?
Bereits im Jahr 1946 berichteten amerikanische Forscher von Whiskern, die Kurzschlüsse in Cadmium-beschichteten Luftkondensatoren verursachten. Darüber hinaus beobachtete man den Effekt in einer Telefonanlage, die nicht mehr funktionierte. In der Folge setzten die Bell Laboratories (eine ehemalige Forschungsabteilung der Telefongesellschaft AT&T) auf Zinn- und Zink-Beschichtungen, was das Problem aber nicht beseitigte, wie ein Bericht aus dem Jahr 1951 deutlich macht. Übrigens: Nach wie vor gibt es keine robuste wissenschaftliche Theorie, mit deren Hilfe man das Whisker-Wachstum sicher prognostizieren kann.
Gibt es eine Strategie gegen das Problem?
In der internationalen Wissenschaftsliteratur werden zahlreiche Maßnahmen gegen Whisker beschrieben. Sie reichen von der Verwendung bestimmter „Sperrschichten“ über eine gezielte Wärmebehandlung zur Verhinderung der Druckspannung bis zur Verwendung alternativer Oberflächen, die zum Beispiel kein Zinn enthalten. Übrigens kann man die Whisker-Bildung unter Umständen auch durch den Abbau von mechanischen Spannungen minimieren. Folglich nehmen viele Entwickler beispielsweise auch Klemm- und Schraubverbindungen unter die Lupe.
Welche Rolle spielt das Thema für Kraus Hardware?
Prozesssicherheit und Qualität in den Details – dieser Anspruch prägt unsere Arbeit, weshalb wir viele Baugruppen und Bauteile vor ihrem Einsatz genau überprüfen. Dazu steht eine ganzes Bündel von elektrischen und optischen Testverfahren zur Verfügung. Und genau unter diesen Vorzeichen fielen uns aktuell unregelmäßige Messergebnisse bei einer Baugruppe im Rahmen eines Flying-Probe-Tests auf – die Untersuchung der dazugehörigen Strecker offenbarte Whisker, die teilweise sogar potenzielle Kurzschlüsse zwischen den Stecker-Köpfen bildeten. Nach unserem Hinweis änderte der Zulieferer seinen Produktionsprozess, denn die zuvor verwendete Zinn-Beschichtung auf den Kupfer-Steckern begünstigt die Whisker-Bildung. Die Bauteile haben deshalb nun eine Nickelschicht.
Sie möchten mehr erfahren über die chemisch-physikalischen Grundprinzipien von Whiskern und wie man sie gezielt mit bestimmten Prozessen vermeiden kann? Hier haben wir einen wissenschaftlichen Basistext zusammengestellt.